Das RPG '09 Nr. 2

Als ich ihre Frage und die darauf folgende Entschuldigung vernahm, lachte ich innerlich. Ich habe mich gelangweilt. Erwiederte ich mit gleichgültiger Stimme und trabte weiter. Ich hob den Kopf und schnupperte, während ich Run in einen Wald führte. Das Reh hatte den Fehler gemacht, sich hier verstecken zu wollen. So kam es nicht recht vorwärts und war für uns ein leichtes Spiel.

Wütend schaute Ich Windmelodie nach.
Doofe Ziege.
Dachte ich und knurrte leise vor mich hin. Dann ließ ich mich auf mein Hinterteil fallen und schaute mir die Gegend an.

Gelangweilt? Seid wann verlässt man deshalb ein Rudel? Ich musste lachen, doch dann sah ich das Reh und hörte auf zu lachen. Ich sah mich um und roch das Blut.

Ich konnte nichts mehr erreichen. Also sah ich mich nach neuen Herrausforderungen um. War meine Antwort. Das Reh war nicht mehr weit entfernt. Der Blutgeruch wurde stärker und es trat ein Glitzern in meine Augen. Wie immer, wenn ich auf der Jagd war. Das verletzte Tier stand da und knickte immer wieder mit dem linken Vorderlauf ein. Wenn wir es hetzen wird es schnell müde oder stürtzt. Dann können wir es einfach erlegen.
Die Hetzjagd war zwar nicht meine liebste Art zu jagen, aber um abzuschätzen wie die weiße Fähe sich bei der Jagd anstellte war es eine praktische Methode. In meinem alten Rudel wären wir einfach auf das Reh zu gestürmt und hätten es gerissen. Unser Jagdtrupp bestand aus sieben ausgewachsenen Wölfen und so hatten wir nie große Schwierigkeiten mit unsere Beute. Unter meiner Leitung war so gut wie jede Jagd ein Erfolg. Das konnte natürlich jetzt ganz anders aussehen, weil wir nur zu zweit waren. Das Reh hatte schließlich immernoch spitze Hufe und ich wollte nicht unbedingt testen, ob meine Haut härter war als diese Waffen.

Au ja! Man ist das lange her, dass ich das letzte Mal ein Reh verfolgt hatte. Ich freute mich richtig darauf diesem Reh hinterher zu rennen, wie eine wilde! Hoffentlich entwischt es uns nicht. Dann würde sie denken, ich wäre eine unfähige Fähe. Die ich natürlich nicht bin!
Ich sah Windmelodie an und rannte los.

Über die plötzlich so enthusiastische Reaktion der weißen Fähe war ich angenehm überrascht. Konnte es sein, dass diese Wölfin die Jagd genauso sehr liebte wie ich?
Mit einigen lange Sätzen sprang ich ihr hinterher und übernahm aus alter Gewohnheit die linke Seite. So war das Reh schonmal daran gehindert nach links auszuweichen. So trabte ich locker neben dem Reh her. Es würde schon irgendwann stürtzen. Die Wunde an dem Bein des Tieres war tief. Lange würde es so nicht aushalten. Warum also dem freudigen Erlebnis verfrüht ein Ende bereiten, wenn man es doch genauso gut genießen konnte?

Innerlich entspannt streife Joy durch's Dickicht. Sie hatte sich die letzten Tage vom hier lebendem Rudel entfernt und nach innerem Gleichgewicht gesucht. Unruhige Gedankenläufe, das Gefühl beobachtet zu sehen, all das und noch mehr hatten Joy in ein paranoides Verhalten gejagt, aus dem sie sich nur schwer befreien konnte. Auch jetzt zuckt sie bei manchen Geräuschen noch zusammen, sieht in einer Eule einen Beobachter, der scheinbar wichtige Info's über sie zusammensucht. Paranoid. Ja, nichts anderes war sie gewesen.
Das Rauschen des Flusses kam näher, Joy fiel in ein flotteres Tempo und achtete kaum auf den Weg. Weit entfernt vernahm sie das Geräusch einiger Wölfe, scheinbar auf der Jagd, doch das war ihr egal. Ihre erste Begegnung mit dem Rudel war nicht grad das Beste, doch war ein zweites beinahe unausweichlich, doch Joy fühlte sich noch nicht bereit dazu. Am Fluss angekommen senkte sie ihre Schnauze in den Fluss und trank. Die seltsame Waldluft, die sie nicht sehr gewohnt war, machte ihr zu schaffen und sie hatte oftmals ein Taubes Gefühl im Maul.
Als das Gefühl verschwand, hob sie den Kopf und blickte aufmerksam umher. Schön war die Gegend, da gab es keine Zweifel. Und ruhiger. In ihrer Heimat war ständige Aufruhe, von den anderen Tieren oder in ihrem Rudel, ganz egal, irgendwas war immer in Bewegung.
Joy mochte diese Unruhe nicht, sie brauchte Momente in denen alles ruhig war, beinahe zum Stillstand kam.
Langsam trottete Joy zu einem Felsen und ließ sich neben ihm nieder. So war sie vom Waldrand nicht zu sehen, konnte jedoch unbemerkt auf seltsame Geräusche lauschen und den Fluss im Augen behalten. Seufzend legte Joy ihren Kopf auf ihre Vorderbeine.

Ich sprang aus dem Dickicht, den jungen Hund auf dem Rücken. Meine Entscheidung war nichtmehr zu ändern, und ich würde es auch durchziehen. Run war ein wenig weiter von mir entfernt, verfolgte ein Reh. Ich holte auf und lief mit ihr Schritt. "Tut mir leid, dass ich so lange weg war. Doch ich hatte Einiges zu bedenken." Schweren Herzens seufzte ich. Wie ich Abschiede verabscheute! "Aber es steht fest: Ich werde das Rudel verlassen. Vielleicht komme ich eines Tages wieder, doch für die nächste Zeit werde ich nicht mehr hier sein." Mit einem kurzen Nicken verschwand ich hinter dem nächsten Baum, Warrior jaulte einmal. Nun waren wir wieder auf uns allein gestellt, mein Leben wieder im Gleichgewicht. Ab heute würde ich, allein mit dem Welpen, durch die Wälder ziehen und mein eigenes Leben leben. Mit einem leisen Seufzen verließ ich das Revier, tauchte ein in den unberührten Teil des Waldes.